Seminarablauf

Das Programm

Die einzelnen Seminartage, aber auch die ganze Woche verlaufen nach einer bewährten Dramaturgie, die natürlich durch die jeweilige Zusammensetzung der Gruppe variiert und oft auch Überraschungen mit sich bringt – ein offener Geist ist die beste Vorbereitung auf das Seminar; man sollte möglichst nicht von beruflichen oder privaten Anforderungen in dieser Woche eingeholt werden.

Der Kurs beginnt am Abend der Ankunft

Das Seminar beginnt am frühen Abend des Ankunftstages – in der Regel ist es ein Sonntag. Wenn alle Teilnehmer bis 19 Uhr bei uns eingetroffen sind, gibt es ein italienisches Begrüßungsessen auf der Terrasse. Das dient dem ersten Kennenlernen, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer stellen sich einander vor, und oft ist dieser Abend schon Ausgangspunkt für die Geschichten, die im Laufe der Woche entstehen.

Der erste Arbeitstag Stolpersteine erkennen

Die eigentliche Arbeit beginnt am nächsten Tag um 9.30 Uhr. Nachdem sich die Teilnehmer ihren persönlichen Arbeitsplatz gesucht haben, können sie zunächst für sich schreiben, gern von uns beraten, wenn sie es wollen.

Im Laufe des Vormittags folgt die erste Lesung der kurzen Texte in der ganzen Runde, verbunden mit einer ausführlichen, auf jeden Satz eingehenden Kritik von unserer Seite. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass in dieser ersten gemeinsamen Runde, in der alle verständlicherweise etwas angespannt sind, die häufigsten Stolpersteine in einem Text bereits sichtbar sind - auch wenn der Text nur aus wenigen Sätzen besteht.  Unser Augenmerk liegt dabei immer eher auf dem Gelungenen, der Frage, warum es gelungen ist, als am Missglückten.

Gegen Mittag kommt Maria, unsere italienische Nachbarin, und kocht für uns eine cucina casalinga. Die Mittagspause kann gerne bei uns verbracht werden, ob im Haus oder im Garten.

Am Nachmittag werden Lesungen und die Textkritik fortgesetzt, erfahrungsgemäß ist der ganze erste Tag davon ausgefüllt, wenn man es gründlich macht.

Der Tag endet mit einem Abendessen an der Promenade von Torri del Benaco, und die Geschichten werden beim Essen mit Blick auf den weiten See weitergesponnen.

Der zweite Arbeitstag – Geschichten ergründen

Der zweite Arbeitstag beginnt wieder mit einer Schreibrunde an den verschiedenen Plätzen im Garten oder Haus. Die Teilnehmer können in aller Ruhe an ihren begonnenen Texten weiterschreiben und sich dabei jederzeit in Einzelgesprächen an den Schriftsteller oder die Lektorin wenden.

Anschließend werden die weitergeführten Texte gelesen und besprochen. Anhand einzelner Beispiele aus den entstehenden Texten geht es bereits um die Klippen und Möglichkeiten, in erster Linie um das Handwerk des Erzählens. Wir stellen uns aber auch die Frage, wie man von den verschiedenen Anfängen über die jeweiligen Höhepunkte zum vorläufigen Abschluss kommt, zu einer Geschichte, die keineswegs rund sein muss, aber das Potenzial dazu hat - und das mit dem Ziel einer gestalteten Lesung am vorletzten Abend, auf die wir von Tag zu Tag hinarbeiten.

Die zunehmende Gruppendynamik ist dabei nicht im Weg, im Gegenteil: Mit einer Kursleiterin, die auf diesem Gebiet Erfahrung hat, kann sie dem Schreiben durchaus dienen. Aber natürlich bleibt es auch immer spannend im Wortsinn, wenn Menschen aus verschiedenen Lebensbereichen neu aufeinandertreffen. Den Abend verbringen wir wieder gemeinsam in einem Lokal im Ort – Autos werden nicht benötigt.

Der dritte Arbeitstag  Inspiration auf dem Wasser

Der Vormittag des dritten Tages dient erneut dem Schreiben und zunehmend den Einzelgesprächen mit uns. Und nach der Mittagspause geht der ganze Kurs auf unser Boot, die Parlando II, für eine Fahrt schräg über den See nach Gargnano. Es ist der Ort, an dem der Schriftsteller D.H. Lawrence mit seiner Geliebten Frieda von Richthofen in den Jahren 1912/13 viele Monate verbracht hatte, was sich in seinem Reisetagebuch Italienische Dämmerungwiederfindet – für uns eines der schönsten Bücher über die Gardaseeregion.

Die Bootsfahrt, das hat sich in all den Jahren gezeigt, bringt eine ungeahnte Vertrautheit in die Gruppe, die sich bis in die Texte hinein auswirkt.

In Gargnano essen wir in einem Restaurant „auf“ dem Wasser, und der Tag endet mit der nächtlichen Rückfahrt, mit etwas Glück bei Vollmond, auf jeden Fall aber mit Musik.

Der vierte Arbeitstag die abendliche Lesung

Der vierte Arbeitstag dient vor allem der Vorbereitung auf die abendliche Lesung. Wir nehmen in Einzelgesprächen den Faden jeder Geschichte auf und helfen dabei, sie weiterzutreiben, auch wenn am Ende jeder selbst schreibt und am Abend auch für sich auf einer Seite des Pools sitzt, während die anderen von der gegenüberliegenden Seite aus zuhören – es gibt ein schönes Licht, ein gutes Mikro, die Szene ist eingerahmt von zwei Olivenbäumen und im Hintergrund liegt der nächtliche See.

Jedes öffentliche Vortragen ist immer auch ein Sprung ins kalte Wasser, aber wir tun alles, dass dieser Sprung gelingt. Dazu tragen auch das vorherige gemeinsame Abendessen bei und ein guter Wein, der die Lesung nach Einbruch der Dunkelheit letztlich ganz leicht macht. Für uns wird bei diesen abendlichen Lesungen immer sichtbar, wie weit wir in dieser Woche gekommen sind, es sind die beiden intensivsten Stunden mit Überraschungen.

Der fünfte Arbeitstag literarischer Morgen, festlicher Abend

Erst in der Nüchternheit des letzten Tages folgt die ausführliche Kritik der Ausschnitte, die am Vorabend alle gehört haben. Die abschließende Arbeitsrunde verbindet die einzelnen, in den Tagen bei uns entstehenden Geschichten noch einmal mit den grundsätzlichen Problemen des Erzählens und der Gestaltung von eigener Lebenserfahrung: Wie kann man von seinem privaten Thema zu einer fiktiven Geschichte kommen, was geht dabei verloren, was wird damit gewonnen? Wie kann ich von mir selbst etwas erzählen, ohne mich preiszugeben, wie kann ich die eigene Wahrheit neu erfinden? In dieser letzten Arbeitsrunde geben wir auch noch ausführliche und individuelle Leseempfehlungen, die jedem Einzelnen bei seinem Schreiben weiterhelfen können.

Ausklang unseres Kurses ist ein festliches Abendessen in Brenzone, etwa 10 Kilometer nördlich von Torri. Wir besuchen das beste Fischrestaurant am Ostufer des Sees, Ristorante Guily, geführt von einem langjährigen Freund von uns, Marco Bertuzzi. Für jeden der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gibt es eins der Bücher von Bodo Kirchhoff mit einer ausführlichen Widmung sowohl von ihm als auch der Kursleiterin. Die Widmungen werden vorgelesen im Sinne eines Toastes, und danach gibt es einen guten Schluck. Mit dem Abend in Brenzone endet der Kurs offiziell, geht aber auf andere Weise weiter, in dem Maße, wie das Schreiben weitergeht und der Kontakt zu uns erhalten bleibt.

Und wir legen großen Wert darauf, dass auch unsere Teilnehmer in Kontakt bleiben – die Praxis hat gezeigt, dass sich die Gruppen immer wieder unabhängig von uns an allen möglichen Orten zusammenfinden. Darüber hinaus bieten wir für die, die schon bei uns am Gardasee teilgenommen haben, ein komprimiertes Arbeitswochenende in einer Kleingruppe in Frankfurt an.